Text zur Arbeit, Jahresgaben 2013 Kunstverein Hamburg

“Verlorene Form” ist die erste Gemeinschaftsarbeit von Axel Loytved (*1982 in Bad Mergentheim, lebt in Hamburg) und Daniel Wolff (*1980 in Hannover, lebt in Hamburg). Bei den Objekten für den “redroom” im Kunstverein Hamburg handelt es sich um Bronze- bzw. Aluminiumabgüsse von Schwarzpulverexplosionen, denn “Verlorene Form” bezeichnet gleichzeitig auch ein traditionelles Bronzegussverfahren, das die Künstler fur diese Arbeit adaptiert haben. Die Gussform wird während des Produktionsprozesses zerstört, geht also verloren. Der Formfindungsprozess der Arbeit von Loytved und Wolff wird weitgehend dem Zufall, bzw. den physikalischen Eigenschaften der eingesetzten Werkstoffe und ihrer gegenseitigen Reaktion aufeinander überlassen. Ein handelsüblicher Silvesterknaller wird im Inneren eines feuchten Tonblocks so gezündet, dass ein Hohlraum entsteht, ohne den Tonblock zu zerfetzen. Das Ergebnis, die Form der Sprengung, ist im Ton festgehalten, aber nicht erkennbar. Um die plastische Form zu gewinnen, müssen die Künstler sie verlieren, das heißt, sie fertigen zunächst einen Wachsabguss an, der nach Abtragen des Tons mit Gips verkleidet wird. Nach dem Herausschmelzen des Wachses erhalten sie die Gusform, von dem der Bronze- oder Aluminiumabguss angefertigt wird. Dieser stellt wieder das Positivbild der Explosion dar.

Loytveds und Wolffs “Verlorene Formen” funktionieren wie das plastische Gedächtnis des flüchtigen Ereignisses der Explosion. Sie halten den Moment der größtmöglichen Ausdehnung des Sprengstoffs in der trägen Masse des Tonblocks fest. Der Abguss konserviert diesen Zustand des bereits vergangen Vorgangs.

Die Künstler stellen nur die Ausgangsbedingungen, ihren Einfluss auf die tatsächliche Form haben sie freiwillig verloren. Damit stellen sie den klassischen Werkprozess der Bildhauerei zur Disposition. Anstelle aufwendiger Komposition verhelfen sie einer natürlichen Formgebung zu ihrem Recht. Trotz der Zuhilfenahme des Zufalls verfolgen die Künstler ein ästhetisches Konzept. So untersuchen sie Fragen nach Statik und Dynamik, Trägheit und Agilität; im Grunde also komplementär zueinander stehende Begriffe, die für die Entstehung der “Verlorenen Formen” durch die Materialwahl in einen kausalen Zusammenhang gebracht werden.

Verfasser des Textes: Kunstverein Hamburg